Caruso singt nicht mehr by Anne Chaplet
Autor:Anne Chaplet [Chaplet, Anne]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
veröffentlicht: 2010-10-04T09:56:01.020000+00:00
»Muà ich mir«, fragte Anne, als beide den langen Verbindungsgang zwischen Haus 8 und Haus 7 durchschritten hatten und wieder in den Paternoster stiegen, »den ganzen Krempel vor den Augen sämtlicher Paternosterfahrer angucken, die heute Lust aufs Paternosterfahren haben?« Im Flurraum auf der dritten Etage saÃen jetzt nur noch zwei Paare über ihre Papiere gebeugt.
»Keine Sorge. Sie können nachher allein und ungestört im Lesesaal Platz nehmen«, antwortete die Fisch leise, »hier findet nur das Vorgespräch statt.« In der zweiten Etage stiegen sie aus.
Anne glaubte, so etwas wie Mitleid im Gesicht ihrer Begleiterin erkannt zu haben. Verdammt, fuhr es ihr durch den Kopf, ist es so schlimm? Sie setzte sich an einen der freien Tische. Frau Fisch kam bald zurück. Sie balancierte vier blaue Aktenmappen. Anne hob fragend die Augenbrauen. Die Sachbearbeiterin legte den Stapel behutsam auf den Tisch.
»Das ist meine Akte?« Daà es soviel Material über sie gab, hätte sie nicht geglaubt.
»Um Himmels willen! Das ist nur ein kleiner Bruchteil davon!« sagte Frau Fisch.
»Und auch davon dürfen Sie nicht alles lesen. Es mag Ihnen ja absurd erscheinen«, versuchte sie den umständlichen Vorgang zu erklären, »aber aus datenschutzrechtlichen Gründen müssen wir dafür sorgen, daà die Anonymität anderer in den Akten auftauchender Personen gewahrt bleibt.« Deshalb waren einige Stellen eingeschwärzt oder ganze Blätter mit einem gelben Papierbogen abgedeckt, der mit drei groÃen Büroklammern befestigt war. »Schauen Sie bitte nicht darunter«, sagte die Fisch und breitete um Verständnis bittend die Hände aus. »Das sind nun mal die Vorschriften.«
In Hinblick auf datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit hatte die Sachbearbeiterin jedes Blatt, jeden Satz von Annes Akte gelesen und überprüft. Sie wird mich nicht mehr angucken vor Scham, dachte Ilona Fisch flüchtig, wenn sie weiÃ, was ich weiÃ.
Anne runzelte die Stirn. Sie verstand nicht. »Sie brauchen keine Namen«, flüsterte Frau Fisch ihr zu, »um zu erkennen, wer Sie verraten hat.«
Sie stand abrupt auf. Und legte ihre Hand auf Annes Arm. »Nehmen Sieâs nicht so schwer.«
Als Anne mit ihrem Papierstapel den eigentlichen Leseraum betrat, saà ihr das beunruhigende Gefühl in der Magengrube, daà es einen verdammt guten Grund geben muÃte, warum eine wildfremde Frau Mitleid mit ihr hatte.
Im Lesesaal saÃen schon andere, das gesenkte Haupt über PapierstöÃe gebeugt, über deren datenschutzmäÃige Unversehrtheit eine etwas erhaben sitzende Lesesaalaufsichtsdame wachte. Anne fühlte sich klein und hilflos.
Nach einer Viertelstunde wuÃte sie, warum Frau Fisch sie mitleidig angesehen hatte. Nach einer weiteren Viertelstunde kämpfte Anne mit Atemnot. Und nach wieder einer halben Stunde wurde ihr vor Scham so heiÃ, daà sie den plötzlich ganz milde guckenden Zerberus von der Lesesaalaufsicht bitten muÃte, ein Fenster zu öffnen. Die Frau hatte wahrscheinlich schon viel gesehen, dachte Anne, als sie sich wieder etwas beruhigt hatte. Haareraufende, ungläubig »Das glaub ich nicht!« ausstoÃende, verzweifelte, hysterische, weinende ehemalige Objekte der Observation â Opfer ihrer Freunde, Kollegen und Verwandten. Eine um Luft ringende westdeutsche Politikerin, die aus den Akten entnehmen muÃte, was ihr ja vielleicht hätte auffallen dürfen, nämlich, daà ihr Mann sie jahrelang bespitzelt hatte â das, sagte sich Anne bitter, war wahrscheinlich noch nicht einmal etwas Besonderes.
Sie guckte sich um.
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